Niewisch-Net(t)work: Werke von Reinhard Niewisch (Senior)
Reinhard Niewisch (Senior)

Am Anfang war die Musik

Wie ich zum Dichten kam - Reinhard Niewisch

Musikalische Kinder erkennt man daran, dass sie beharrlich versuchen, auf jedem beliebigen Gegenstand Musik zu machen. Ich habe viele "Instrumente" ausprobiert, vom Schuhkarton über Blockflöte, Mundharmonika, Gitarre, bis zum Keyboard. Auch im Chor habe ich mitgesungen, damals, als meine Stimme noch zum Singen geeignet war. Immer wieder faszinierte mich das gleichmäßige Schwingen, der Rhythmus, fein säuberlich in Vierergruppen aufgeteilt. Später erkannte ich, dass auch gesprochene Worte auf diese Art schwingen können. Und so entsteht ein Gedicht. Die Vereinigung von Wort und Musik ergibt ein Lied.

In der Schule war ich ganz normaler Durchschnitt - auch in Deutsch. Gut war ich in Musik und Physik. Mathe nicht, das kam später, als ich anfing, freiwillig zu lernen. In dieser Lernphase erkannte ich, dass zwischen Musik, Physik und Mathematik ein direkter Zusammenhang besteht. Auch die Sprache als Parallelzweig der Musik gehört dazu. Eines kann ich bis heute nicht verstehen: Ich wurde oft von Erwachsenen ermahnt, beim Aufsagen eines Gedichtes nicht zu "leiern". Warum nicht? Ich habe das - siehe oben - als "Schwingen" bezeichnet. Wenn ein Dichter nicht will, dass sein Gedicht geleiert wird, dann soll er doch Prosa schreiben. Dann ist der strenge Rhythmus aufgehoben, und die Vortragsform wird von der natürlichen Sprechmelodie bestimmt.

Einen Namen muss ich noch erwähnen: Wilhelm Busch. Er war mein Vorbild und Lehrmeister. Er lehrte mich das erste Gebot der Dichtkunst:

"Das Wichtigste an einem Gedicht ist die Aussage. Ein Gedicht ohne Aussage ist nichts weiter als eine leere Hülse."

Danke, Onkel Wilhelm!

Damit komme ich zum letzten Teil: Des Dichters Werkzeugkasten. Ohne allzu tief in die Theorie der Dichtkunst einzudringen, sollte der Dichter doch sein Werkzeug und dessen Gebrauch kennen. Wir Amateurdichter müssen ja nicht so perfekt sein wie Goethe, der es fertig gebracht hat, den ganzen "Faust" in Gedichtform zu schreiben. Aber die Begriffe Jambus, Trochäus und weitere Versfüße sollten uns schon geläufig sein. Der Rest in Gedichtform, wie es sich gehört.

Ich wollte gern ein Dichter sein,
und so berühmt wie Schiller.
Der graue Alltag brach herein,
mein Schnabel wurde stiller.

Die Obrigkeit kam zum Beschluss,
mein Leben einzurichten.
Wer jeden Tag zur Arbeit muss,
hat keine Zeit zum Dichten.

Nun bin ich Rentner, alt und lahm,
ein Adler ohne Schwingen.
Wozu ich all die Zeit nicht kam,
das kann ich jetzt vollbringen.

Reinhard Niewisch

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